Kolumnisten
Warum scheitern türkische Familienunternehmen?
Von Harun Yazıcı – Chefredakteur
„Unser Geschäft lief hervorragend, bis mein Onkel und mein Vater zerstritten waren …“
„Seit der Schwiegersohn eingestiegen ist, geht es Jahr für Jahr bergab …“
Solche Geschichten haben wir alle schon gehört.
Eigentlich ist der Unternehmergeist in der Türkei stark ausgeprägt. Wer eine Chance sieht, greift zu, geht Risiken ein – oft mehr, als er sollte – eröffnet ein Geschäft, gründet eine Fabrik und investiert seine ganze Kraft.
Doch leider enden viele Erfolgsgeschichten genau in dem Moment, in dem das Unternehmen wächst. Familienmitglieder, die zuvor Partner waren, trennen sich und gründen neue Firmen mit Bezeichnungen wie „echt“ oder „original“. Am Ende schrumpfen sie und machen im Kleineren weiter. Tatsache ist: Die meisten türkischen Familienunternehmen überleben nicht bis zur dritten Generation.
Warum?
Weil Familie und Geschäft vermischt werden. Familie ist ein emotionales Konstrukt, geprägt von Liebe und Bindungen, die nicht immer logisch sind. Ein Unternehmen hingegen folgt anderen Regeln. Sobald Emotionen die Entscheidungen bestimmen, bricht das fragile Gleichgewicht zusammen.
In westlichen Ländern läuft es oft anders. Auch dort gibt es erfolgreiche Familienunternehmen – doch Professionalität ist die Grundlage. Selbst wenn Familienmitglieder im Betrieb arbeiten, sind die Rollen klar definiert und rechtlich abgesichert. Dort startet man kein Unternehmen nach dem Motto: „Die Hälfte gehört dir, die andere mir.“
In der Türkei hingegen werden Aufgaben nach dem Prinzip „Das ist mein Bruder, das ist meine Nichte“ verteilt. Die Machtverhältnisse innerhalb der Familie bestimmen die Struktur – und das führt zwangsläufig zu Konflikten.
Geschriebene Regeln, Verfahren und ein klares Managementverständnis sind in türkischen Familienunternehmen selten. Alles hängt vom Wort des „Patrons“ ab – meist der Älteste der Familie. Solange das Unternehmen klein ist, mag das funktionieren. Doch mit dem Wachstum wird dieses Modell untragbar. Die Folge: Chaos.
Die erste Generation baut das Unternehmen auf. Mit der zweiten Generation beginnen die Streitigkeiten: Wer bekommt wie viel Gewinn? Wer hat das Sagen? Wer arbeitet mehr? Diese Konflikte schaden dem Betrieb, während strategische Entscheidungen in den Hintergrund treten.
Hinzu kommt: Viele Familienunternehmen verzichten auf externe Manager und besetzen Schlüsselpositionen lieber mit Verwandten. Wird Verwandtschaft statt Kompetenz bevorzugt, landen oft unqualifizierte Personen in entscheidenden Rollen – und das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit.
Auch die Gründer selbst sind häufig ein Hemmschuh. Sie pochen auf ihre Erfahrung – „Ich habe das Geschäft von Grund auf aufgebaut“ – und verschließen sich neuen Ideen. Ob Digitalisierung, neue Märkte oder alternative Geschäftsmodelle: jede Veränderung stößt auf Widerstand. Das bremst das Wachstum erheblich.
Die Lösung?
Das Scheitern türkischer Familienunternehmen ist kein Schicksal. Weltweit gibt es Familienfirmen, die seit über hundert Jahren bestehen. Ihr Erfolgsrezept: Institutionalisierung, professionelles Management und eine klare Trennung zwischen Familie und Geschäft.
Ein „Familienstatut“ innerhalb des Unternehmens, frühzeitige Nachfolgeplanung, Raum für externe Profis und ein systematischer Wissenstransfer zwischen den Generationen – all das sind unverzichtbare Schritte.
Andernfalls werden wir noch oft Geschichten hören, die beginnen mit: „Unser Geschäft lief hervorragend, aber …“
