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Wie abhängig ist die Türkei von Energieimporten?

Harun Yazici

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nes Yazıcı – Fakultät für Wirtschaft, Boğaziçi-Universität

Die Türkei ist mit ihrer wachsenden Wirtschaft und jungen Bevölkerung ein Land mit stetig steigender Energienachfrage. Doch um diesen Bedarf zu decken, bleibt das Land in hohem Maße vom Ausland abhängig. Doch aus welchen Ländern bezieht die Türkei ihre Energie hauptsächlich?

Nach den Daten von 2023 wird über 70 Prozent des Energiebedarfs durch Importe gedeckt. Bei Erdgas liegt Russland mit 45 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Iran (16 Prozent) und Aserbaidschan (15 Prozent). Den Rest bilden Importe von Flüssigerdgas (LNG) aus Ländern wie den USA, Algerien und Nigeria. Die Abhängigkeit vom Ausland beim Erdgas erreicht damit rund 99 Prozent.

Auch beim Öl ist die Situation ähnlich: 93 Prozent des Bedarfs werden importiert, wobei Irak, Russland und Kasachstan die wichtigsten Lieferländer sind. Eine zentrale Rolle spielt die Kirkuk-Ceyhan-Pipeline, die vom nordirakischen Kirkuk bis zum türkischen Hafen Ceyhan verläuft und jährlich rund 25 Millionen Tonnen Rohöl transportiert. Ein weiterer bedeutender Korridor ist die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline, die Öl aus dem Kaspischen Raum über Aserbaidschan und Georgien ans Mittelmeer bringt. Diese Pipelines erhöhen nicht nur die geostrategische Bedeutung der Türkei, sondern sorgen auch für Deviseneinnahmen.

In der Stromerzeugung spielt Kohle eine entscheidende Rolle. Rund 35 bis 40 Prozent des Stroms stammen aus Kohlekraftwerken, wobei etwa die Hälfte des eingesetzten Kohles importiert wird. Der größte Teil der heimischen Produktion entfällt auf minderwertige Braunkohle. Importierte Steinkohle hingegen weist einen höheren Heizwert auf und hat aufgrund ihres geringeren Schwefel- und Aschegehalts weniger Umweltauswirkungen.

Ursachen der Energieabhängigkeit

Die jährlichen Energieimporte im Wert von 50 bis 60 Milliarden US-Dollar stellen eine erhebliche Belastung für die türkische Wirtschaft dar und sind einer der Hauptgründe für das Leistungsbilanzdefizit. Die begrenzten Öl- und Gasreserven des Landes machen die Türkei strukturell abhängig. So deckt die einheimische Erdgasproduktion nur 1 Prozent und die inländische Ölproduktion nur 7 Prozent des Bedarfs.

Zwischen 2014 und 2023 stieg der jährliche Stromverbrauch der Türkei um rund 26 Prozent. Industrialisierung und Bevölkerungswachstum lassen die Energienachfrage rasant steigen, während das Angebot kaum mithalten kann – Importe sind somit unvermeidbar.

Ein weiterer Faktor ist die noch unzureichende Nutzung erneuerbarer Energien. Wind, Sonne und Wasserkraft reichen derzeit nicht aus, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Im vergangenen Jahr machten Wind- und Solarenergie etwa 18 Prozent der Stromproduktion aus. Die Wasserkraft bleibt zudem wetterabhängig und schwankt aufgrund von Dürren stark.

Das Dilemma der Abhängigkeit

Dass die Türkei den Großteil ihres Energiebedarfs durch Importe decken muss, schafft eine strukturelle Verwundbarkeit. Da Energieimporte in Dollar oder Euro bezahlt werden, führen Abwertungen der türkischen Lira direkt zu steigenden Kosten – Strompreiserhöhungen sind dann kaum zu vermeiden.

Auch geopolitische Risiken bedrohen die Energiesicherheit des Landes. Politische und sicherheitspolitische Probleme in den irakischen Ölfeldern beeinträchtigen etwa den Betrieb der Kirkuk-Ceyhan-Pipeline. Ähnlich brachte der Beginn des Kriegs in der Ukraine und die westlichen Sanktionen gegen Russland erhebliche Unsicherheiten für die türkische Gasversorgung aus Russland.

Fazit: Die Türkei bleibt trotz wachsender Nachfrage in hohem Maße energieabhängig. Diese strukturelle Schwäche beeinflusst nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die geopolitische Strategie des Landes.

Quelle: Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen, TÜİK

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